Verzichteten Gläubiger ganz oder teilweise im Rahmen einer Sanierung auf ihre Forderungen, so war der durch die Sanierung entstehende Gewinn bei dem sanierten Unternehmen steuerfrei. Grundlage dafür war der Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 27. März 2003. Diesen Erlass hat der Bundesfinanzhof verworfen, was zu erheblichen neuen Risiken für die Sanierung von Unternehmen führte.
Hintergrund
Bis 1997 waren Sanierungsgewinne in voller Höhe steuerfrei. Voraussetzung war
- die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens,
- der volle oder teilweise Erlass seiner Schulden,
- die insoweit bestehende Sanierungsabsicht der Gläubiger sowie
- die Sanierungseignung des Schuldenerlasses.
Seit 1997 war ein Sanierungsgewinn grundsätzlich steuerpflichtig, die bis dahin geltende gesetzliche Steuerbefreiung (§ 3 Nr. 66 EStG a.F. ) wurde abgeschafft.
2003 führte das Finanzministerium mit dem Erlass die Steuerbefreiung wieder ein.
Bundesfinanzhof kippt den Sanierungserlass
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28. November 2016 verstößt der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die Finanzverwaltung ist nicht befugt, die Sanierungserlöse aufgrund eigenen Ermessens von der Besteuerung zu befreien.
Der Kläger war als Einzelunternehmer über mehrere Jahre mit Verlust tätig. Im Dezember 2007 verzichteten eine Sparkasse und eine Bankengruppe auf „nicht bedienbare Forderungen“ in Höhe von ca. 620.000 €. Das für den Kläger zuständige Finanzamt berücksichtigte bei den Einkünften des Klägers die Forderungsverzichte der Banken und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Der Kläger beantragte zudem den „Erlass der Steuern für 2007 aus dem Sanierungsgewinn“. Auch diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, da der Kläger auch im Folgejahr einen Verlust erlitten hatte.
Politische Entscheidung wurde notwendig
Bisher ist der Sanierungserlass durch das Bundesfinanzministerium nicht widerrufen worden, er ist weiter für die Finanzämter bindend. Viele Sanierungsverfahren, insbesondere auch Insolvenzplanverfahren, sind im Vertrauen auf den Bestand des Sanierungserlasses eingeleitet worden.
Ob die Finanzverwaltung Unternehmenssanierungen durch Steuererleichterungen auf Sanierungsgewinne unterstützt, ist eine politische Entscheidung. Müssten Unternehmen, die gerade eine akute Krise überwunden haben, Sanierungsgewinne versteuern, wären in den meisten Fällen Sanierungen aussichtslos. Daher wurde mit einer schnellen Klarstellung durch den Gesetzgeber gerechnet.
Neuregelung
Der Bundestag hat am 27. April 2017 das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen beschlossen. Unter Art. 2–4 wurden Regelungen zur Behandlung von Sanierungsgewinnen im bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren integriert.
Die Neuregelung umfasst insbesondere einen neuen § 3a EStG („Sanierungserträge“). Der Regelungsgehalt kurz zusammengefasst:
- Sanierungsgewinne sind wieder steuerfrei. Die Steuerbefreiung wird nur gewährt, wenn der Unternehmer im Sanierungsjahr und im Folgejahr bestehende steuerliche Wahlrechte steuermindernd ausübt (§ 3a Abs. 1 EStG n.F.).
- Die unternehmensbezogene Sanierung wird in § 3a Abs. 2 EStG n.F. definiert.
- Um eine Doppelbegünstigung auszuschließen, entfallen bestehende Verlustvorträge aus den Vorjahren,
- Verluste des laufenden Jahres dürfen nur mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden,
- und bei zusammen veranlagten Ehegatten werden die laufenden negativen Einkünfte und Verlustvorträge des anderen Ehegatten einbezogen (§ 3a Abs. 3 EStG n.F.).
- Der Sanierungsertrag einer Mitunternehmerschaft wird in § 3a Abs. 4 EStG n.F. geregelt.
- Auf Erträge, die im Falle der Restschuldbefreiung, eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans oder eines Schuldenbereinigungsplans im Verbraucherinsolvenzverfahren entstehen, sind die Regelungen der Steuerbefreiung nach § 3a Abs. 5 EStG anzuwenden.
- Die Anwendung des § 3a EStG n.F. auf Altfälle regelt § 53 Abs. 4a EStG n.F.
In den Art. 3 und 4 des Gesetzes sind flankierende Regelungen im Körperschaftssteuergesetz und im Gewerbesteuergesetz getroffen worden.
Die EU-Kommission muss noch zustimmen
Die gesetzlichen Regelungen stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Europäischen Kommission. Es geht dabei um die Frage, ob es sich um eine unzulässige Beihilfe handelt.
RA Robert Buchalik, Bundesverband ESUG: „Sollte die EU-Kommission darin tatsächlich eine unzulässige Beihilfe sehen, würden nicht nur die Möglichkeiten einer Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens einen herben Rückschlag erleiden, sondern auch das von der EU-Kommission forcierte präventive Sanierungsverfahren in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.“
Stimmt die EU-Kommission zu, können die neuen Regelungen rückwirkend auf alle nicht abgeschlossenen Verfahren angewendet werden.
Update vom 20. August 2018
Die EU-Kommission hat in einem Schreiben an das Bundesministerium den neuen Regelungen in § 3a EStG zugestimmt. Diese sind mit dem EU-Beihilferecht vereinbar. Der bisherige Wortlaut des § 3a EStG lässt die Norm jedoch erst dann wirksam werden, wenn die EU-Kommission durch Beschluss feststellt, dass die Regelungen keine staatliche Beihilfe darstellen. Damit das steuerliche Sanierungsprivileg endlich in Kraft treten kann, muss der Gesetzgeber daher die bislang im Gesetz vorgesehene Bedingung einer Beschlussfassung durch die EU-Kommission entfernen.
Update vom 15. Dezember 2018
Das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ tritt in Kraft. Gemäß Artikel 19 sind Sanierungsgewinne – auch im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens – steuerfrei.
Weitergehende Informationen
Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs vom 7. Februar 2017
BFH verwirft Sanierungserlass des BMF
Pressemitteilung des Bundesverband ESUG vom 13. Februar 2017:
Sanierungserlass gekippt – irreparabler Schaden für Wirtschaftsstandort Deutschland
Drucksache 18/12128 des Deutschen Bundestages
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses
(Die beschlossenen Änderungen des EStG, KStG, GewStG ab Seite 12)
Bildnachweise:
U‑Bahn Bundestag © Thomas Ulrich, Lobo Studio Hamburg
BFH München © Oliver Raupach – Lizenz: CC-BY-SA‑2.5
Gibt es denn hier schon eine Änderung oder ist eine in Sicht? Was bringt es denn, wenn eine Insolvenz erfolgreich durchgeführt wird und dann der „Gewinn“ versteuert werden muß.
Ich stecke gerade in einem Insolvenzplan und es geht nicht weiter weil das Finanzamt keine Stellungnahme dazu abgeben will.
Guten Tag,
wie Sie hier lesen https://insoguide.de/bundestag-beschliesst-neuregelung-zu-sanierungsgewinnen#neuregelung können, gibt es eine Neuregelung. Bitte kontaktieren Sie mich über das Kontaktformukar https://insoguide.de/blitzkontakt, damit ich zu Ihrem konkreten Fall eine Empfehlung abgeben kann.
Guten Abend, das Finanzamt möchte meine Restschuldbefreiung von 2015 als Gewinn versteuern! Ist das mit der Änderung vom 15. Dezember 2018 rechtens? Was ist jetzt zu tun? Bzw. was würden Sie mir raten?
Guten Abend Frau Sollender,
bitte haben Sie Verständnis, dass ich dieser Stelle keine Rechtsberatung anbieten kann. Ging Ihrer Restschuldbefreiung ein gewerbliches Insolvenzverfahren voran? Dann nutzen Sie bitte meine kostenfreie Erstberatung.
Die Änderungen finden Sie im Gesetz mit dem sperrigen Namen Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27. Juni 2017. Die Regelung zu den Sanierungewinnen finden Sie in Artikel 2 mit dem das Einkommensteuergesetz um den § 3a Sanierungserträge ergänzt wird.
Beachten Sie, dass diese Änderungen erst am 15. Dezember 2018 in Kraft getreten sind.