Das Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO ist ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung unter Insolvenzschutz. Ziel des Schutzschirmverfahrens ist die Sanierung des Antragstellers mit Hilfe eines Insolvenzplans.
Was ist ein Schutzschirmverfahren?
Das Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO (Vorbereitung einer Sanierung; Schutzschirm) wurde durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 1. März 2012 eingeführt und durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 modifiziert. Es handelt sich nicht um ein eigenständiges Insolvenzverfahren, sondern stellt eine Variante des vorläufigen Regelinsolvenzverfahrens in Eigenverwaltung dar.
Der Schuldner erhält durch Beschluss des Gerichts bis zu drei Monate Zeit, um unter dem Schutzschirm, der Kontrolle des Gerichts sowie eines vorläufigen Sachwalters Sanierungsmaßnahmen vorzubereiten, insbesondere einen Insolvenzplan. Die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis bleibt wie im vorläufigen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung nach § 270a InsO bei der bisherigen Geschäftsleitung.
Dazu können wie in der Eigenverwaltung diverse liquiditätsgenerierende Möglichkeiten in Anspruch genommen werden.
Insolvenzantrag im Schutzschirmverfahren
Das Schutzschirmverfahren beginnt mit dem Insolvenzeröffnungsantrag. Für den Insolvenzantrag im Schutzschirmverfahren sind besondere Regelungen vorgesehen.
Nur Eigenantrag
Nur ein Schuldner kann Antragsteller eines Schutzschirmverfahrens sein, Fremdanträge sind ausgeschlossen.
Der Schuldner hat zu beantragen, dass die Eigenverwaltung angeordnet wird, und dass er im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens berechtigt ist, sein Unternehmen bis zur Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung zu führen. Er hat dann die Aufgaben zu übernehmen, für die in einem vorläufigen Insolvenzverfahren der vorläufige Insolvenzverwalter zuständig wäre.
Antrag nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Ein Antrag auf Schutzschirmverfahren darf nicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit, sondern nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt werden.
Bescheinigung nach IDW S9
Neben den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens und den für die Eigenverwaltung notwendigen Angaben, verlangt der § 270d Abs.1 Satz 1 InsO einen begründeten Nachweis, dass:
- die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist und
- keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und im Schutzschirmverfahren auch nicht zu erwarten ist.
Dazu muss eine gutachterliche Stellungnahme vorgelegt werden. Der Wirtschaftsprüfer-Standard IDW S9 beschreibt die Anforderungen an eine solche Bescheinigung.
Insolvenzberatung Schubert: „In der Praxis ist der Nachweis der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine große Hürde. Weil die meisten Unternehmen viel zu spät über eine Sanierung nachdenken und fast alle Insolvenzanträge viel zu lange nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt werden. Zum anderen erfordert das gesetzlich vorgesehene Gutachten zusätzlichen zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand.“
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Die Bescheinigung kann von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erteilt werden. Der Aussteller muss über praktische, mehrjährige Erfahrung mit Insolvenzsachen oder Sanierungsfällen verfügen. Der vorgeschlagene vorläufige Sachwalter darf in diesem Fall nicht Gutachter sein.
Das Gutachten muss durch einen geeigneten Liquiditätsplan nachweisen, dass nur drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
Darüber hinaus darf eine Sanierung nicht „offensichtlich aussichtslos“ sein. Es muss kein ausgereiftes Sanierungsgutachten (wie in IDW S6) vorgelegt werden. Offensichtlich bedeutet an dieser Stelle, dass keine vertiefende Beurteilung der Sanierungsfähigkeit notwendig ist. Aussichtslosigkeit besteht nur bei eindeutig negativen Erfolgsaussichten, wenn beispielsweise:
- kein Grobkonzept vorliegt, wie die Sanierung erreicht werden soll,
- das vorliegende Konzept unrealistisch oder nicht schlüssig ist oder
- maßgebliche Gläubiger die Sanierung blockieren werden.
Das Grobkonzept kann auch von Dritten oder der Geschäftsleitung vorgelegt werden. Es sollte mindestens umfassen:
- Analyse der Krisenursachen,
- Darstellung der aktuellen wirtschaftlichen Situation,
- grobe Skizze der zukünftigen Situation,
- knappe Beschreibung der angedachten Sanierungsmaßnahmen und
- deren finanzielle Auswirkung.
Die Stellungnahme ist ausschließlich zur Vorlage beim Insolvenzgericht bestimmt. Sie sollte bei Insolvenzantragstellung nicht älter als eine Woche sein.
Insolvenzplan innerhalb von 3 Monaten
Mit dem Antrag ist zu erklären, dass innerhalb von maximal 3 Monaten ein Insolvenzplan vorgelegt wird.
Vorteile des Schutzschirmverfahrens
Im Antrag auf ein Schutzschirmverfahren sollten auf jeden Fall die folgenden Punkte berücksichtigt werden, da diese für den weiteren Ablauf sehr vorteilhaft sein können.
Bestellung vorläufiger Sachwalter
Das Gericht ist an den im Antrag vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalter gebunden. Nur wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Position ungeeignet ist, kann das Gericht den vorgeschlagenen Sachwalter ablehnen. Der vorgeschlagene Sachwalter darf nicht identisch sein mit dem Verfasser des Sanierungsgutachtens.
Die Aufgaben des vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren entsprechen den Aufgaben des vorläufigen Sachwalters in der Eigenverwaltung.
Vorschlagsrecht für vorläufigen Gläubigerausschuss
Der Antragsteller kann die Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragen. Dieser hat weit reichende Mitwirkungs- und Auskunftsrechte.
- Stellt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig fest, dass die Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt, ist das Gericht an diese Entscheidung gebunden und kann die Eigenverwaltung nicht verhindern (§ 270b Abs. 3 Satz 3 InsO).
- Der Ausschuss kann aber auch ohne Angaben von Gründen die Aufhebung des Schutzschirmverfahrens beantragen (§ 270b Abs. 3 Satz 4 InsO).
- Zustimmungserfordernis bei wichtigen Entscheidungen – sogenannten bedeutsamen Rechtshandlungen – nach § 160 Abs. 2 InsO.
- Überwachung und Unterstützung der Geschäftsleitung (§ 69 InsO).
Daher sollte grundsätzlich versucht werden neben dem Antrag auf ein Schutzschirmverfahren auch einen Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zu stellen.
Es werden fünf Mitglieder vorgeschlagen, die ihre Bereitschaft erklärt haben, im Ausschuss mitzuwirken. Die Mitglieder sollten aus verschiedenen Gläubigergruppen stammen: beispielsweise Banken, Sozialversicherung, Arbeitsagentur, Arbeitnehmervertreter, absonderungsberechtigte Gläubiger sowie immer ein Vertreter der ungesicherten Kleingläubiger. Die Einverständniserklärung der vorgeschlagenen Mitglieder ist dem Antrag beizulegen.
Begründung von Masseverbindlichkeiten
Genau wie ein vorläufiger starker Insolvenzverwalter kann der Schuldner im Schutzschirmverfahren auf Antrag Masseverbindlichkeiten eingehen (§ 270c Abs. 4 InsO). Das Gericht muss dem Antrag folgen.
Bessere Außenwirkung
Der Begriff „Schutzschirmverfahren“ wird von den Gläubigern oft nicht mit einem gerichtlichen Insolvenzverfahren in Verbindung gebracht. Die bereits durch ein Gutachten bestätigte Sanierungsfähigkeit kann sich in Verhandlungen mit Gläubigern positiv auswirken. Und nicht zuletzt wird die Anordnung eines Schutzschirmverfahrens vom Gericht nicht veröffentlicht.
Weitere Schutzmaßnahmen im Schutzschirmverfahren
Neben den oben erwähnten Maßnahmen (Bestimmung eines Sachwalters, Begründung von Masseverbindlichkeiten) sollten auch die für ein reguläres Insolvenzverfahren in Frage kommenden Sicherungsmaßnahmen beantragt werden.
- Vollstreckungsschutz: Untersagung und einstweilige Einstellung aller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO), das Gericht kann den Antrag nicht ablehnen (§ 270b Abs. 2 Satz 3 InsO).
- Schutz vor Aussonderung und Absonderung (§ 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO).
Wann endet das Schutzschirmverfahren?
Das Insolvenzgericht beendet das Schutzschirmverfahren, wenn
- die Sanierung aussichtslos geworden ist,
- der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt,
- das Schutzschirmverfahren nachteilig für die Gläubiger ist, kein Gläubigerausschuss bestellt ist und ein Gläubiger einen entsprechenden Antrag stellt,
- nach Ablauf der Frist zur Vorlage des Insolvenzplanes.
Falls im Schutzschirmverfahren Zahlungsunfähigkeit eintritt, ist dies vom schuldnerischen Unternehmen oder dem Sachwalter unverzüglich anzuzeigen.
Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Fristablauf entscheidet das Insolvenzgericht über die Insolvenzeröffnung. Wurde die Eigenverwaltung nicht versagt, wird danach auch das eröffnete Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchgeführt.
Vergleich Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung
Trotz der oben beschriebenen Vorteile des Schutzschirmverfahrens und der größtmöglichen Mitbestimmungsmöglichkeit des noch nicht zahlungsunfähigen Unternehmens sollte nicht vergessen werden, dass das vorläufige Insolvenzverfahren auch in Eigenverwaltung nach § 270a InsO durchgeführt werden kann.
Unterschiede Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren | Eigenverwaltung im vorläufigen Verfahren § 270c InsO | Schutzschirmverfahren § 270d InsO |
Liquiditätslage | zahlungsunfähig | nur drohend zahlungsunfähig |
Gutachten über Liquiditätslage IDW S9 | nein | ja |
Eigenverwaltungplanung § 270a Absatz 1 | ja | ja |
vorläufiger Sachwalter | Gericht kann den Vorschlag des Antragsstellers ablehnen, ist aber an Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses gebunden | Gericht kann den Vorschlag nicht ablehnen |
Liquiditätsnachweise | ja | ja |
Eingehen von Masseverbindlichkeiten | ja | ja |
Veröffentlichung | je nach Gericht | in der Regel nicht |
Einstellung Zwangsvollstreckungen | in der Regel ja | Gericht kann Antrag auf Einstellung nicht ablehnen |
Schutz vor Absonderung und Aussonderung | auf Antrag, Entscheidung durch das Gericht | auf Antrag, Entscheidung durch das Gericht |
Liquiditätsaufbau | ja | ja |
Geschäftsführung, Verfügung und Verwaltung | Antragsteller | Antragsteller |
vorläufiger Gläubigerausschuss | möglich | möglich |
Insolvenzberatung Schubert: „Nur durch sorgfältige Vorbereitung des Antrags und Gespräche mit den wichtigsten Gläubigern und Banken können Sie sicher stellen, dass Sie während des Schutzschirmverfahrens zahlungsfähig bleiben. Sie sind zwar vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt, wenn die Bank allerdings Ihre Darlehen und Kontokorrentkredite kündigt oder wichtige Lieferanten Kreditlinien streichen, dürfen Sie nicht zahlungsunfähig werden. In den meisten Fällen ist ein Verfahren in Eigenverwaltung nach § 270b InsO der einfachere, rechtssicherere und kostengünstigerere Weg.“
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Dauer des Schutzschirmverfahrens
Ein professionell vorbereitetes Schutzschirmverfahren kann innerhalb von 6–12 Monaten ab Beauftragung bis zur Bestätigung des Planes und Aufhebung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen sein. Danach erfolgt die Planerfüllung.