Insolvenzverschleppung tritt ein, wenn bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Kapitalgesellschaft der Insolvenzantrag gar nicht, unrichtig oder zu spät beim Insolvenzgericht eingeht.
Wen betrifft die Insolvenzverschleppung?
Für die gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstände) von Kapitalgesellschaften: GmbH, Aktiengesellschaft, UG (haftungsbeschränkt) und von Gesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, wie zum Beispiel die GmbH & Co. KG, GmbH & Co. OHG ist die Insolvenzverschleppung strafbar.
Vorstände von Vereinen, Genossenschaften und Stiftungen haben ebenfalls eine Insolvenzantragspflicht. Ein Verstoß hat in diesem Fall haftungsrechtliche, aber keine strafrechtlichen Konsequenzen.
Die Insolvenzantragspflicht betrifft immer alle gesetzlichen Vertreter, ungeachtet der Geschäftsverteilung. Ist die Gesellschaft führungslos, weil es keinen gesetzlichen Vertreter gibt, müssen die Gesellschafter oder Aufsichtsräte den Insolvenzantrag stellen.
Insolvenzverschleppung bei Einzelunternehmen?
Einzelunternehmen unterliegen genau wie Personengesellschaften nicht der Insolvenzantragspflicht. Diese Tatsache ist juristischen Laien oft nicht bekannt. Sogar im Bundestag kam die vermeintliche Insolvenzverschleppung des Anton Schlecker Konzerns bereits zur Sprache.
Auch wenn Sie nicht insolvenzantragspflichtig sind, ändert sich Ihre Rechtslage durch Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Sie begehen unter Umständen Betrugs- oder Bankrottstraftaten.
Insolvenzantrag auch bei englischer Ltd.?
Ja, auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland unterliegen der Insolvenzantragspflicht.
Ab wann liegt Insolvenzverschleppung vor?
Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss der Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern gestellt werden und spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder sechs Wochen nach Einritt der Überschuldung beim Insolvenzgericht vorliegen (§ 15a InsO). Diese Frist sollte nur ausgeschöpft werden, wenn gleichzeitig Maßnahmen zur Beseitigung der Insolvenzgründe eingeleitet werden. Danach beginnt die Insolvenzverschleppung.
Fehlen die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage notwendigen insolvenzrechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, ist unverzüglich der Rat eines Wirtschaftsprüfers, Steuerberaters oder Rechtsanwaltes einzuholen. In diesem Fall dürfen Sie das Ergebnis der Prüfung abwarten, müssen aber auf eine sofortige Durchführung hinwirken.
Beachten Sie bitte auch, dass im Insolvenzverfahren nachträglich einfach zu ermitteln ist, ab wann Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Es wird ein Liquiditätsstatus für den Zeitpunkt erstellt, an dem erstmals Anzeichen für eine mögliche Insolvenzantragspflicht vorliegen.
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Insolvenzanträge zu 98% ein Jahr zu spät gestellt
Das Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim (ZIS) hat gemeinsam mit der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG in den Jahren 2006 bis 2009 Studien zu Insolvenzverfahren durchgeführt, die Daten wurden bei Insolvenzverwaltern erhoben. Nach der oft zitierten Studie verpassen Zweidrittel der Unternehmen den richtigen Zeitpunkt und verschlechtern so Ihre Chancen auf eine Sanierung.
Zeitpunkt der Antragstellung
Das Deutsche Institut für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) führt noch drastischere Zahlen an: 98% der Anträge bei Unternehmensinsolvenzen werden nicht innerhalb von 3 Wochen, sondern ein Jahr nach der materiellen Insolvenz gestellt: „Der offene Rechtsbruch ist die Regel.“
Da zudem 70 % der Insolvenzschäden während des Verschleppungszeitraums eintreten, leiden vor allem die unbesicherten Insolvenzgläubiger. Deren durchschnittliche Insolvenzquote liegt bei 5%, laut DIAI „dürfte bei rechtzeitiger Antragstellung die durchschnittliche Befriedigungsquote antragspflichtiger Schuldner deutlich oberhalb von 50 % liegen.“
Die 6 häufigsten Gründe für verspätete Antragstellung
In der oben erwähnten Studie des ZIS wurden von den Insolvenzverwaltern als häufigste Gründe für die verspätete Antragstellung genannt:
- Hoffnung, dass es nach jahrelangen Erfolgen wieder aufwärts geht (96%).
- Angst vor der Bloßstellung im Bekanntenkreis und in der Branche (95%).
- Fehlerhafte Einstufung der Situation als Krise, nicht als Insolvenz (88%).
- Fehlendes Vertrauen in das Insolvenzverfahren (77%).
- Glaube, dass verspätete Antragstellung nicht sanktioniert wird (60%).
- Unzureichende Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen (58%).
Persönliche Haftung bei Insolvenzverschleppung
Kommt der Geschäftsführer oder das Vertretungsorgan der Insolvenzantragspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, haftet er im Innenverhältnis der Gesellschaft für masseschmälernde Handlungen ab diesem Zeitpunkt.
Im Außenverhältnis haftet er gegenüber den Gläubigern, und zwar mit seinem persönlichen Vermögen bis zur vollen Höhe des eingetretenen Schadens. Die Annahme, der Geschäftsführer haftet nur mit der eingezahlten Stammeinlage, ist schlichtweg falsch.
Darüber hinaus bestehen noch weitere Risiken, falls der Geschäftsführer auch privat Insolvenz anmelden muss. Detailliertere Informationen finden Sie auf meiner Seite zur persönlichen Haftung der Geschäftsführung.
Innenhaftung: bei verbotener Zahlung
Der Geschäftsführer haftet nach § 64 GmbHG ab Insolvenzreife für alle Zahlungen, für die kein Gegenwert in die Insolvenzmasse geflossen ist (Zahlungen ohne Aktivtausch).
Warum beispielsweise Zahlungen auf Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung erlaubt und die Zahlung auf Arbeitgeberanteile verboten ist und mehr lesen Sie auf meiner Seite zur persönlichen materiellen Haftung.
Innenhaftung: bei Zahlungen an Gesellschafter (Existenzvernichtung)
Der Geschäftsführer haftet für Zahlungen an Gesellschafter, sofern diese Zahlungen ursächlich für die eingetretene Zahlungsunfähigkeit sind. Das gilt auch für den Gesellschaftern nahe stehende Personen.
Außenhaftung: gegenüber Neugläubigern
Neugläubiger sind Gläubiger mit Forderungen, die nach Insovenzreife entstanden und nicht beglichen wurden oder deren beglichene Forderungen wirksam angefochten wurden. Neugläubiger dürfen die Ansprüche direkt gegen die Geschäftsführung geltend machen.
Außenhaftung: gegenüber der Sozialversicherung
Die Geschäftsführung haftet für nicht abgeführte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung persönlich. Dies ist auch eine Insolvenzstraftat.
Außenhaftung: gegenüber dem Finanzamt
Der Geschäftsführer haftet nach § 69 AO für nicht termingerecht erklärte Steuern, Verletzung der Buchführungspflichten und Nichtabführung von Steuern, insbesondere Umsatz- und Lohnsteuer.
Strafrechtliche Folgen der Insolvenzverschleppung
Die Staatsanwaltschaft am Sitz oder Wohnsitz des Schuldners wird in jedem Fall vom Insolvenzgericht über die Eröffnung jedes Insolvenzverfahren unterrichtet, auch wenn dieses mangels Masse abgelehnt wird. Das schreibt die Anordnung über Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) vor. Bei Verdacht auf Wirtschaftsstrafsachen wird die Polizei Ermittlungen aufnehmen.
Bei über 30% aller Firmeninsolvenzen wurde in 2016 wegen Insolvenzverschleppung von der Polizei gegen mindestens einen Tatverdächtigen ermittelt – insgesamt in 6.650 Fällen. Die Insolvenzverschleppung – strafbar nach § 15a InsO – ist laut Kriminalstatistik des BKA mit 11,5% das zweithäufigste Delikt der Wirtschaftskriminalität. Noch häufiger wird bei Krisenunternehmen wegen Vorenthalten von Sozialabgaben ermittelt: mit 7.600 Fällen die häufigste Wirtschaftsstraftat.
Was tun bei einem Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung?
In der Regel erfahren Sie von den Ermittlungen durch eine polizeiliche Vorladung. Dieser müssen Sie nicht Folge leisten, einer Ladung durch die Staatsanwaltschaft oder einem Richter schon.
Als Beschuldigter sollten Sie nie unvorbereitet in eine polizeiliche Vernehmung gehen. Falls Sie auf Fragen wie „Warum haben Sie die Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt?“ oder „Warum wurde die Bilanz zu spät (oder nicht) erstellt?“ die falsche Antwort geben, stehen neben der Insolvenzverschleppung plötzlich Bankrottstraftaten nach § 283 StGB im Raum.
Insolvenzberatung Schubert: „Sie sollten daher in jedem Fall den Rat eines auf Insolvenzsachen spezialisierten Rechtsanwaltes oder Strafverteidigers einholen. Aus der Tatsache, das Sie schweigen oder einen Anwalt beauftragen entstehen Ihnen keine Nachteile im weiteren Verfahren.“
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Welche Folgen hat ein Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung?
Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren mangels hinreichendem Tatverdacht, wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen einstellen. Dazu sollte nach Akteneinsicht eine ausführliche Stellungnahme erfolgen.
Wird das Verfahren daraufhin nicht eingestellt oder folgt ein Strafbefehl, wird eine Hauptverhandlung folgen. Hier wird auch festgestellt, ob die Insolvenzverschleppung fahrlässig – zum Beispiel durch Verletzung der Sorgfaltspflichten – oder vorsätzlich begangen wurde. Das hat erheblichen Einfluss auf das Strafmaß, ebenso wie der bewirkte Schaden und die Dauer der Verschleppung.
Strafmaß Insolvenzverschleppung
Kommt es im schlimmsten Fall zu einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, ist neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe auch ein Verbot für die Dauer von fünf Jahren als Geschäftsführer tätig zu sein die Folge.
Als Strafe kann das Gericht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren, bei Fahrlässigkeit maximal ein Jahr Freiheitsstrafe verhängen.
Verjährt die Insolvenzverschleppung?
Schadenersatzpflichten aus der Insolvenzverschleppungshaftung verjähren nach drei Jahren.
Die Strafverfolgung verjährt nach fünf Jahren.
Was tun bei eingetretener Insolvenzverschleppung?
Geschäftsführer oder andere Vertreter von Kapitalgesellschaften, die sich bereits in der Insolvenzverschleppung befinden, benötigen dringend kompetente Beratung, da überstürztes Handeln existenzvernichtende Konsequenzen nach sich ziehen kann. Die Beratung sollte vor Antragstellung stattfinden, da einige Haftungstatbestände nur vor Antragstellung ausgeräumt werden können.
Insolvenzberatung Schubert: „Ich rate dringend davon ab, das Unternehmen zu verkaufen oder einen Strohgeschäftsführer einzusetzen. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit. Sie sind durch spätere Maßnahmen nicht von der Insolvenzantragspflicht befreit und entgehen so auch nicht der Haftung mit Ihrem Privatvermögen..“
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Was tun bei Verdacht auf Insolvenzverschleppung?
Wenn Sie einen begründeten Verdacht haben, dass einer Ihrer Schuldner die Insolvenz verschleppt, können Sie einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht stellen. Sie können dies schriftlich oder mündlich tun, die mündliche Anzeige ist zu beurkunden (§ 158 StPO). Liegen Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht vor, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären.
Insolvenzberatung Schubert: „Sie sollten eine Strafanzeige nicht missbräuchlich verwenden, um beispielsweise einen säumigen Zahler unter Druck zu setzen. Sind Ihre Angaben falsch, kann der Gläubiger gegen Sie wegen falscher Verdächtigung ebenfalls ein Strafverfahren beantragen (§ 164 StGB).“
Der Tatbestand „Falsche Verdächtigung“ ist in § 164 StGB festgeschrieben, nicht in der Strafprozessordnung.
Vielen Dank für den Hinweis! Ich habe den Verweis korrigiert.