Als Eröffnungsverfahren, Insolvenzantragsverfahren oder vorläufiges Insolvenzverfahren wird der Zeitraum zwischen dem Eingang des Insolvenzantrags und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Gerichtsbeschluss bezeichnet.
Was passiert im Insolvenzeröffnungsverfahren?
Nachdem der Antrag bei Gericht eingegangen und auf Zulässigkeit geprüft wurde, gibt das Gericht ein Gutachten in Auftrag. Der Gutachter – meist der vorläufige Insolvenzverwalter oder Sachwalter – wird den Schuldner kurzfristig aufsuchen und das weitere Vorgehen besprechen.
Im Rahmen einer Betriebsversammlung informiert der vorläufige Insolvenzverwalter die Mitarbeiter des Unternehmens über den Insolvenzantrag und die neue Rechtslage. Insbesondere wird er die Regelungen zum Insolvenzgeld erläutern.
Darüber hinaus nimmt der vorläufige Insolvenzverwalter das Vermögen in Besitz. Er erstellt ein Inventar und holt unter Umständen weitere Gutachten ein, um den Verkehrswert der Vermögensgegenstände zu bewerten. Er wird auch Verzeichnisse aller Debitoren und Kreditoren mit Anschriften und Angaben zu den Verbindlichkeiten und Forderungen anfordern.
Alle Gläubiger werden angeschrieben und mit dem Gerichtsbeschluss über die Anordnung der vorläufigen Verwaltung informiert. Gläubiger mit Dauerschuldverhältnissen (Energie, Telekommunikation, Versicherungen, Vermieter) werden aufgefordert, ihre Forderungen zum Datum des Insolvenzantrags abzugrenzen. Verbindlichkeiten aus der Zeit davor sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Für danach anfallende notwendige Leistungen sagt der vorläufige Insolvenzverwalter den Lieferanten die Zahlung zu.
Außerdem hat der vorläufige Insolvenzverwalter eine Erhaltungspflicht. Er muss alle Maßnahmen treffen, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und bis zur Eröffnung des Verfahrens und der Entscheidung der Gläubiger im Berichtstermin weiter zu führen.
Wie lange dauert ein vorläufiges Insolvenzverfahren?
Das Insolvenzeröffnungsverfahren ist innerhalb von zwei bis drei Monaten nach Insolvenzantrag durch den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens beendet.
Mitwirkungspflicht des Schuldners
Der Schuldner hat eine Mitwirkungspflicht bei der Erfüllung der Aufgaben des Insolvenzverwalters. Zudem ist er auskunftspflichtig hinsichtlich aller Tatsachen, die mit dem Verfahren in Zusammenhang stehen. Die Auskunftspflicht betrifft sowohl die Vertreter von juristischen Personen als auch Aufsichtsräte, Geschäftsführer und Mitarbeiter, die innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag aus dem Unternehmen ausgeschieden sind.
Nach § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO müssen vom Schuldner sogar Auskünfte erteilt werden, die geeignet sind eine Strafverfolgung oder eine Ordnungswidrigkeit auszulösen. Solche Auskünfte können in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht gegen ihn verwendet werden, wenn sie nicht anderweitig bekannt geworden sind.
Daneben hat der Schuldner oder sein gesetzlicher Vertreter eine Präsenzpflicht, er muss nach § 97 Abs. 3 InsO jederzeit verfügbar bleiben.
Der Schuldner muss über die Auskunftspflicht hinausgehende Leistungen nicht unentgeltlich erbringen.
Gutachter
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO hat das Gericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind.
Die Prüfung der Eröffnungsfähigkeit in der Regelinsolvenz überlässt das Gericht einem Sachverständigen. Das Gericht wird die Entscheidung über die Eröffnung und Sicherungsmaßnahmen aufgrund des erstellten Insolvenzgutachtens treffen.
Sicherungsmaßnahmen
Das Gericht hat nach § 21 InsO Maßnahmen zu treffen, die eine Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners verhindern. Zur Sicherung der Masse stehen ihm eine Reihe von Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung.
1. Verfügungsverbot, Zustimmungsvorbehalt
Im Insolvenzeröffnungsverfahren behält der Schuldner zunächst die Verfügungsgewalt über sein Vermögen. Das Insolvenzgericht kann seine Befugnisse jedoch ganz oder teilweise einschränken.
Verfügungsverbot: Es kann dem Schuldner generell verbieten, über sein Vermögen weiter zu verfügen.
Zustimmungsvorbehalt: Das Insolvenzgericht kann bestimmte Verfügungen von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig machen. Dem Schuldner kann beispielsweise untersagt werden, Forderungen einzuziehen.
Geschäfte, die trotz allgemeinen Verfügungsverbot oder entgegen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abgeschlossen wurden, sind unwirksam (§ 81 InsO). Der Schuldner oder sein Vertreter haften in diesem Fall für eingegangene Verbindlichkeiten.
2. Vorläufiger Insolvenzverwalter
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist meist identisch mit dem Gutachter.
Hat das Gericht dem Schuldner ein generelles Verfügungsverbot auferlegt, spricht man von einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser hat nach § 22 InsO das Unternehmen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, es sei denn die Fortführung ist mit erheblichen Verlusten verbunden. In diesem Fall kann er mit Zustimmung des Gerichts den Betrieb still legen.
Führt der Schuldner sein Unternehmen unter Aufsicht des vorläufigen Insolvenzverwalters fort, spricht man von einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.
Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird vom Richter vorgenommen. Gegen die Entscheidung kann keine Beschwerde eingelegt werden.
Wird das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder als Schutzschirmverfahren geführt, übernimmt ein vorläufiger Sachwalter die Aufsicht über den Geschäftsbetrieb des Schuldners.
3. Vorläufiger Gläubigerausschuss
Der vorläufige Gläubigerausschuss nimmt bis zum Berichtstermin die Interessen der Gläubiger wahr und kann auf die Wahl des späteren Insolvenzverwalters Einfluss nehmen. Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt, muss er bei besonders wichtigen Entscheidungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters nach § 160 Abs. 2 InsO seine Zustimmung geben.
Beantragter Gläubigerausschuss (§ 22a Abs. 2 InsO): Ein vorläufiger Gläubigerausschuss kann auf Antrag des Schuldners eingesetzt werden.
Obligatorischer Gläubigerausschuss (§ 22a Abs. 1 InsO): Es muss ein vorläufiger Gläubigerausschuss bei Unternehmen eingesetzt werden, die zwei der folgenden Kriterien erfüllen.
- Mindestens 50 Arbeitnehmer in Durchschnitt,
- mehr als 6 Mio. Euro Bilanzsumme oder
- mehr als 12 Mio. Umsatzerlöse im letzten Geschäftsjahr.
Fakultativer Gläubigerausschuss § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO): Auch ohne Verpflichtung oder Antrag kann das Gericht nach eigenem Ermessen einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen.
4. Vollstreckungsschutz
Damit alle Gläubiger gleichgestellt sind, ordnet das Gericht in der Regel nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Untersagung und einstweilige Einstellung aller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an.
Ausnahme: Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Immobilien. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann die Zwangsversteigerung durch Antrag bei Vollstreckungsgericht unterbrechen, wenn er nachweist, dass sich dadurch die Vermögenslage des Schuldners verschlechtert.
Rückschlagsperre: Nach § 88 Abs. 1 InsO werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle Sicherungsmaßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor Antragstellung unwirksam.
Wird der Antrag abgewiesen oder zurück genommen, werden einstweilig eingestellte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wieder in Gang gesetzt.
5. Schutz vor Aussonderung und Absonderung
Da im Insolvenzeröffnungsverfahren das Unternehmen weitergeführt werden soll, ist es wichtig, dass betriebsnotwendiges Inventar weiterhin zur Verfügung steht.
Das Gericht kann daher anordnen, das Aussonderungsrechte wie beispielsweise Eigentumsvorbehalte von Lieferanten, erst im eröffneten Insolvenzverfahren geltend gemacht werden. Gleiches gilt auch für Absonderungsrechte (§ 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO).
6. Postsperre
Das Gericht kann nach § 21 Abs. 2 Nr. 4 InsO von Amts wegen oder auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters eine Postsperre verfügen. Sämtliche Postsendungen des Schuldners sind dann dem vorläufigen Insolvenzverwalter zuzustellen.
7. Eidesstattliche Versicherung
Falls der Schuldner seine Auskunftspflicht verletzt, kann das Insolvenzgericht nach § 98 Abs. 1 InsO anordnen, dass der Schuldner persönlich eine eidesstattliche Versicherung abgibt. Die richterliche Anordnung der Abgabe ist nicht anfechtbar. Falschaussage oder Verschweigen von Tatsachen ist nach § 156 StGB strafbar.
8. Haftanordnung
Nach § 98 Abs. 1 InsO sowie § 21 Abs. 3 InsO kann das Gericht den Schuldner oder den gesetzlichen Vertreter in Haft nehmen, falls
- der Schuldner die Mitwirkung oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigert,
- sich der Schuldner den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten durch Flucht entziehen will oder
- Handlungen des Schuldners, die die Insolvenzmasse vermindern, vermieden werden sollen.
Rücknahme des Insolvenzantrags
Der Antrag kann bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurück genommen werden. Der Antragsteller hat die Kosten zu tragen.
Beginn des Insolvenzverfahrens
Mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt das eröffnete Insolvenzverfahren, in dem das Vermögen des Schuldners verteilt oder mit Hilfe eines Insolvenzplans eine andere Lösung gefunden wird.
Sehr geehrte Herren RA,
danke für Ihre übersichtlichen Infos auf Ihrer HP zum Insolvenzverfahren. Ich hätte eine Frage.
Das vorläufige Insolvenzverfahren meines Arbeitgebers endet nun nach 3 Monaten, womit die Insolvenzgeldzahlung ebenfalls endet, soweit ich weiß.
Das eigentliche Insolvenzverfahren soll nun eröffnet werden.
Es sind Käuferinteressenten vorhanden, mehr ist den Mitarbeitern bisher nicht bekannt.
Nun heißt es, die AN erhalten ihr Gehalt weiter.
Wer zahlt nun aber unsere Gehälter und wie lange kann dies so weiter laufen?
Ich bedanke mich für Ihre Antwort.
Freundliche Grüße
Luna M.
Sehr geehrte Frau M.,
der Anspruch auf Insolvenzgeld besteht höchstens drei Monate.
Die Entscheidung, ob das Unternehmen zerschlagen, weiter geführt oder verkauft wird trifft die Gläubigerversammlung im Berichtstermin.
https://insoguide.de/regelinsolvenz/eroeffnetes-insolvenzverfahren#berichtstermin
Sofern die Insolvenz nicht in Eigenverwaltung oder als Schutzschirmverfahren abgewickelt wird, ist der Insolvenzverwalter dafür verantwortlich, den Betrieb bis zur Entscheidung der Gläubiger weiter zu führen. Die Ansprüche der Arbeitnehmer bleiben dabei in voller Höhe erhalten. Dazu gehören Gehaltsansprüche, Urlaub, Provisionen, Überstundenabgeltung usw.
Beschließt die Gläubigerversammlung, den Betrieb bis zum Verkauf weiter zu führen, kann der Insolvenzverwalter den Betrieb auch längere Zeit aufrecht erhalten.
In einer Insolvenz in Eigenverwaltung ist die Geschäftsführung für die Lohn- und Gehaltszahlung verantwortlich.
Arbeitsverhältnisse können auch in der Insolvenz nur ordentlich gekündigt werden. Abweichend von individuellen Vereinbarungen beträgt die Kündigungsfrist maximal drei Monate. Unberührt davon sind außerordentliche (fristlose) Kündigungen, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise nicht mehr zum Dienst erscheint.
Freundliche Grüße
RA Olaf Schubert
Sehr geehrter Herr RA Schubert,
ich bedanke mich für Ihre hilfreiche Antwort.
Freundliche. Grüße
Luna M.
Gegen unsere GmbH ist das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Ist es ratsam nun die Eigeninsolvenz zu beantragen?
Guten Tag, Bono.
Wenn ich Sie richtig verstehe, ist ein Fremdantrag gestellt worden – dass heißt einer Ihrer Gläubiger hat den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzsverfahrens bei Gericht eingereicht?
Für diesen Fall können Sie meiner Seite zum Fremdantrag einige weiterführende Informationen entnehmen.
Sie schreiben weiter: „Ist es ratsam nun die Eigeninsolvenz zu beantragen?“ Ich bin mir nicht sicher, ob Sie damit meinen, dass Sie selbst einen Antrag auf Insolvenz beim Insolvenzgericht stellen möchten (Eigenantrag)
oder
ob Sie die Insolvenz in Eigenverwaltung beantragen möchten.
Den Eigenantrag müssen Sie in Erwägung ziehen, falls sich an die Insolvenz der GmbH auch eine private Insolvenz anschließt, zum Beispiel aufgrund übernommener Bürgschaften. Sonst bekommen Sie keine Restschuldbefreiung.
Ob ein Eigenantrag mit einem Antrag auf Eigenverwaltung für die GmbH ratsam ist, kann ich nur beurteilen, wenn Sie mir mehr Informationen geben. Dazu können Sie meine kostenlose Erstberatung nutzen.
Freundliche Grüße
RA Olaf Schubert
Sehr geehrter Herr RA Schubert,
ich habe am 25.08.2018 einen Schrank bei einem Möbelhaus online bestellt, über dessen Vermögen vor 3 Tagen das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Schrank ist bisher noch nicht an mich geliefert worden.
Die Bezahlung des Schranks sollte per Ratenzahlung an die net m Privatbank 1891 AG erfolgen. Die Forderung wurde von dem Möbelhaus an diese Bank verkauft. Die Kreditbereitstellungsgebühr und die erste Rate wurden von der net m Privatbank 1891 AG bereits per Lastschrift eingezogen. Diese beiden Lastschriften habe ich heute vorsichtshalber zurück gegeben, würde das Geld jedoch gern wieder überweisen und auch die restlichen Raten bezahlen, falls Aussicht auf Lieferung des bestellten Schranks besteht…
Habe ich einen Anspruch auf Auslieferung des Schranks? Oder wird dieser in die Insolvenzmasse eingehen?
Kann ich vom Kaufvertrag und auch vom Ratenzahlungs-/ Kreditvertrag zurücktreten, obwohl die Widerrrufsfrist in beiden Fällen abgelaufen ist?
Habe ich ein außerordentliches Kündigungsrecht?
Wie kann ich die Finanzierung rückgängig machen?
Ganz herzlichen Dank vorab für Ihre Hilfe!!!
Mit freundlichem Gruß
Renate H.
Liebe Renate H.
leider kann ich auf diesen Seiten nicht allgemeine Rechtsberatung leisten. Ich betreue ausschließlich gewerbliche Mandanten bei der Unternehmenssanierung oder Insolvenz. Danke für Ihr Verständnis.
Sehr geehrter Herr RA Schubert,
hat man Aussicht auf Erfolg mit einer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss zur vorläufigen Eröffnung einer Insolvenz und zum Einsetzen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ? Welche Gründe könnte man anführen und damit den Beschluss aufheben lassen?
Mit freundlichen Grüßen
André K.
Sehr geehrter Herr K.,
ich vermute, dass Sie nicht selbst den Antrag auf Eröffung eine Insolvenzverfahrens gestellt haben? In diesem Fall ist es ein Fremdantrag durch einen Gläubiger. Gemäß § 14 Abs. 2 InsO sind Sie dabei anzuhören. Lesen Sie hier weiter, wie Sie einen Fremdantrag abwehren können: https://insoguide.de/fremdantrag#wie-kann-ich-einen-fremdantrag-abwehren
Viele Grüße
Olaf Schubert