Persönliche Haftung vor und in der Insolvenz

In mei­ner lang­jäh­ri­gen Pra­xis habe ich immer wie­der erle­ben müs­sen, dass kaum Kennt­nisse über die viel­fäl­ti­gen Risi­ken für die per­sön­li­che Haf­tung von Unter­neh­mern und Ver­tre­tungs­or­ga­nen vor­han­den sind. Als Geschäfts­füh­rer oder Unter­neh­mer befin­den Sie sich in einer höchst ange­spann­ten Lage und erken­nen die oft viel­fäl­ti­gen Haf­tungs­fal­len gar nicht. In der Unter­neh­mens­krise ändert sich Ihre Rechts­lage, bei Insol­venz­an­trags­pflicht sogar grundlegend.

Geschäfts­füh­rer einer GmbH oder UG; Vor­stände einer AG, von Ver­ei­nen, Genos­sen­schaf­ten und Stif­tun­gen haf­ten ab Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung mit ihrem Pri­vat­ver­mö­gen für uner­laubte, aber auch für unter­blie­bene Zahlungen.

Die Haf­tung ist nur begrenzt durch die volle Höhe des ein­ge­tre­te­nen Scha­dens. Die Annahme, der Geschäfts­füh­rer haf­tet nur mit der ein­ge­zahl­ten Stamm­ein­lage ist schlicht­weg falsch. Das zieht oft auch eine per­sön­li­che Insol­venz nach sich.

Aber auch Ein­zel­un­ter­neh­mer, Frei­be­ruf­ler oder Gesell­schaf­ter einer Per­so­nen­ge­sell­schaft trifft ein höhe­res Risiko. Bei Ver­let­zung der steu­er­li­chen Pflich­ten oder nicht abge­führ­ten Arbeit­neh­mer­bei­trä­gen zur Sozi­al­ver­si­che­rung wird in einem Insol­venz­ver­fah­ren über diese Beträge keine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt.

Kata­stro­phal ist eine Ver­ur­tei­lung wegen Bank­rott­straf­ta­ten. Ab 90 Tages­sät­zen oder drei Mona­ten Haft ist die Rest­schuld­be­frei­ung in einem pri­va­ten Insol­venz­ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen; die wirt­schaft­li­che Exis­tenz des Unter­neh­mers oder Geschäfts­füh­rers ist wei­test­ge­hend vernichtet.

Die sechs Haf­tungs­fal­len in der Krise

In der Liqui­di­täts­krise birgt jede Zah­lung die Gefahr der per­sön­li­chen Haf­tung der Geschäfts­füh­rung. Im Innen­ver­hält­nis gegen­über der Gesell­schaft für mas­se­schmä­lernde oder exis­tenz­ver­nich­tende Zah­lun­gen, dies wird im Insol­venz­fall vom Insol­venz­ver­wal­ter ein­ge­for­dert. Im Außen­ver­hält­nis haf­tet die Geschäfts­füh­rung gegen­über Neu­gläu­bi­gern, der Sozi­al­ver­si­che­rung und dem Finanz­amt (Durch­griffs­haf­tung).

Portrait Olaf SchubertInsol­venz­be­ra­tung Schu­bert: „Kri­tisch ist:
1. den Zeit­punkt der Insol­venz­an­trags­pflicht falsch ein­zu­schät­zen, 2. Zah­lun­gen nicht in der rich­ti­gen Rei­hen­folge zu täti­gen und 3. die fal­sche Auf­tei­lung von Zah­lun­gen in der Liquiditätskrise.“

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1. Haf­tung bei ver­bo­te­ner Zahlung

Der Geschäfts­füh­rer einer GmbH oder UG haf­tet nach § 64 GmbHG ab dem Zeit­punkt der Insol­venz­an­trags­pflicht für alle Zah­lun­gen, für die kein Gegen­wert in die Insol­venz­masse geflos­sen ist (Zah­lun­gen ohne Aktiv­tausch). Das glei­che gilt für Vor­stände einer AG, einer Stif­tung oder Genos­sen­schaft sowie den Direc­tor einer Ltd. mit Sitz in Deutschland.

Die Haf­tung gilt gegen­über der Gesell­schaft, diese wird nach Insol­venz­er­öff­nung vom Insol­venz­ver­wal­ter ver­tre­ten. Die­ser prüft in der Regel die Kon­to­aus­züge der ver­gan­ge­nen ein bis zwei Jahre und nimmt den Geschäfts­füh­rer zunächst für alle Zah­lun­gen ab Insol­venz­an­trags­pflicht in Haf­tung. Hier ist recht­zei­tige vor­beu­gende Bera­tung drin­gend erfor­der­lich, da sonst die Exis­tenz des Geschäfts­füh­rers gefähr­det ist. Der Insol­venz­ver­wal­ter geht in der Regel ober­fläch­lich und pau­schal vor, was einer Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie zu Gute kommt.

Was Sie zah­len dürfen 

  • Lohn­steuer und Arbeit­neh­mer­an­teile zur Sozi­al­ver­si­che­rung. Diese sind drin­gend anzu­ra­ten, da bei Nicht­zah­lun­gen Insol­venz­straf­ta­ten vor­lie­gen können.
  • Benö­tig­tes Mate­rial, inner­halb des Bar­ge­schäfts­zeit­rau­mes bei­spiels­weise zur Fer­tig­stel­lung eines Bauvorhabens.
  • Zur Auf­recht­erhal­tung des Geschäfts­be­trie­bes not­wen­dige Leis­tun­gen (Tele­fon- und Strom­kos­ten, Haftpflichtversicherung).
  • Den Steu­er­be­ra­ter für die aktu­elle Buch­hal­tung, den bera­ten­den Rechts­an­walt oder Wirt­schafts­prü­fer.
  • Zah­lun­gen von einem debi­to­ri­schen Konto (Konto mit Soll­saldo) dür­fen Sie immer täti­gen, wenn es unbe­si­chert ist.

Diese Zah­lun­gen ent­spre­chen der gefor­der­ten „Sorg­falt eines ordent­li­chen Geschäftsmanns“.

Wofür Sie haften 

  • Grund­sätz­lich Zah­lun­gen auf For­de­run­gen, die älter als 30 Tage sind. Hier wird der Bar­ge­schäfts­zeit­raum ver­las­sen. Gläu­bi­ger mit älte­ren For­de­run­gen wer­den jetzt zu Alt­gläu­bi­gern, an die Sie keine Zah­lun­gen leis­ten oder Sicher­hei­ten über­tra­gen dürfen.
  • Zah­lun­gen auf den Arbeit­ge­ber­an­teil zur Sozi­al­ver­si­che­rung. Die­ser ist kein Lohn­be­stand­teil und es erfolgt auch kein Gegen­wert zur Insolvenzmasse.
  • Mas­se­schmä­lernde Last­schrif­ten­man­date sind umge­hend zu stornieren.
  • Auch andere Ver­mö­gens­min­de­run­gen der Gesell­schaft müs­sen ver­mie­den wer­den. Es dür­fen keine Waren aus­ge­lie­fert wer­den, die per Vor­kasse bezahlt wur­den. Nur wenn durch die Waren­lie­fe­rung eine For­de­rung ent­steht, darf wei­ter­hin gelie­fert werden.
  • Und sogar für Zah­lungs­ein­gänge auf einem Konto mit Soll­saldo (debi­to­ri­sches Konto), da ein­sei­tige Gläu­bi­ger­be­vor­zu­gung der Bank vorliegt.

Portrait Olaf SchubertInsol­venz­be­ra­tung Schu­bert: „Um nicht in die Haf­tung genom­men zu wer­den für Geld­ein­gänge auf Ihren Fir­men­konto müs­sen Sie unbe­dingt ein­ge­hende Zah­lun­gen auf ein Gut­ha­ben­konto lei­ten! Haben Sie kein Gut­ha­ben­konto, legen Sie jetzt sofort eins an.“

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2. Haf­tung bei Zah­lung an Gesellschafter

Der Geschäfts­füh­rer haf­tet für Zah­lun­gen an Gesell­schaf­ter, sofern diese Zah­lun­gen ursäch­lich für die ein­ge­tre­tene Zah­lungs­un­fä­hig­keit sind (exis­tenz­ver­nich­tende Zah­lun­gen). Das gilt auch für den Gesell­schaf­tern nahe­ste­hende Per­so­nen.

Alle Zah­lun­gen an Gesell­schaf­ter oder nahe­ste­hende Per­so­nen in den letz­ten drei Monate wer­den im Rah­men der Insol­venz­an­fech­tung vom Insol­venz­ver­wal­ter ein­ge­for­dert, bei unmit­tel­ba­rer Benach­tei­li­gung sogar bis zu zwei Jah­ren rück­wir­kend, außer­dem alle Rück­zah­lun­gen auf Gesell­schaf­ter­dar­le­hen der letz­ten zwölf Monate vor Insolvenzantrag.

3. Haf­tung gegen­über Neugläubigern

Der Geschäfts­füh­rer oder Vor­stand haf­tet ab Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung für ent­stan­dene Neugläubigerschäden.

Alt­gläu­bi­ger sind die­je­ni­gen Gläu­bi­ger, deren For­de­run­gen vor dem Zeit­punkt der Insol­venz­an­trags­pflicht ent­stan­den sind. Neu­gläu­bi­ger sind die­je­ni­gen Gläu­bi­ger, deren For­de­rung danach ent­stan­den sind und deren For­de­run­gen nicht begli­chen wur­den oder deren begli­chene For­de­run­gen wirk­sam ange­foch­ten wurden.

Neu­gläu­bi­ger sind legi­ti­miert, Ansprü­che aus § 823 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 15 Abs. 1 InsO gegen den Geschäfts­füh­rer direkt gel­tend zu machen. Der Geschäfts­füh­rer haf­tet dem Neu­gläu­bi­ger bei Insol­venz­ver­schlep­pung in vol­ler Höhe des ent­stan­de­nen Scha­dens. Diese Haf­tung ist oft Grund für die pri­vate Insol­venz des Geschäftsführers.


4. Haf­tung gegen­über Sozialversicherungsträgern

Der Geschäfts­füh­rer haf­tet grund­sätz­lich für nicht abge­führte Arbeit­neh­mer­bei­träge zur Sozi­al­ver­si­che­rung per­sön­lich. Die Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger for­dern diese direkt vom Geschäfts­füh­rer ein.

Die Nicht­ab­füh­rung von Arbeit­neh­mer­bei­trä­gen zur Sozi­al­ver­si­che­rung wird von den Kran­ken­kas­sen als eine „vor­sätz­lich began­gene uner­laubte Hand­lung“ ange­mel­det. Gegen die­sen Vor­wurf kann im Prü­fungs­ter­min Wider­spruch ein­ge­legt werden.

Ist die­ser erfolg­los, wird im Insol­venz­ver­fah­ren von Ein­zel­un­ter­neh­mern und Frei­be­ruf­lern über vor­ent­hal­tene Arbeit­neh­mer­bei­träge zur Sozi­al­ver­si­che­rung keine Rest­schuld­be­frei­ung erteilt und die Staats­an­walt­schaft wird tätig. Die Nicht­ab­füh­rung von Arbeit­neh­mer­bei­trä­gen ist eine Insol­venz­straf­tat im wei­te­ren Sinne.

Portrait Olaf SchubertInsol­venz­be­ra­tung Schu­bert: „Zah­lun­gen nur auf Arbeit­neh­mer­bei­träge zur Sozi­al­ver­si­che­rung leis­ten! Ver­wen­den Sie eine ent­spre­chende Til­gungs­be­stim­mung bei der Zah­lung. Auf kei­nen Fall soll­ten Sie die Arbeit­ge­ber­bei­träge zur Sozi­al­ver­si­che­rung zahlen.“ 

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5. Haf­tung bei Ver­let­zung steu­er­li­cher Pflichten

Der Geschäfts­füh­rer haf­tet nach § 69 AO per­sön­lich für nicht ter­min­ge­recht erklärte Steu­ern, Ver­let­zung der Buch­füh­rungs­pflich­ten und Nicht­ab­füh­rung von Steuern.

Umsatz­steuer: Der Geschäfts­füh­rer haf­tet per­sön­lich gegen­über dem Finanz­amt für im Haf­tungs­zeit­raum nicht abge­führte Umsatz­steuer in einer bestimm­ten Quote. Diese ermit­telt sich, ver­ein­facht dar­ge­stellt, aus dem pro­zen­tua­len Anteil der geschul­de­ten Umsatz­steuer zu den Gesamt­ver­bind­lich­kei­ten. Die­ser pro­zen­tuale Anteil ist bei Zah­lun­gen an Dritte immer auch an das Finanz­amt abzu­füh­ren, sonst greift die per­sön­li­che Haf­tung des Geschäfts­füh­rers (Grund­satz der antei­li­gen Til­gung).

Lohn­steuer: Der Geschäfts­füh­rer haf­tet gegen­über dem Finanz­amt bei ein­ge­tre­te­nem Scha­den für nicht oder nicht ter­min­ge­recht abge­ge­bene Lohn­steu­er­erklä­run­gen und deren Nichtzahlung.


6. Haf­tung bei Insolvenzverschleppung

Stellt sich im Nach­hin­ein her­aus, dass die GmbH schon vor dem Insol­venz­an­trag zah­lungs­un­fä­hig oder über­schul­det war, trifft den Geschäfts­füh­rer die per­sön­li­che Haf­tung für den durch die Insol­venz­ver­schlep­pung ent­stan­de­nen Schaden.

Alt­gläu­bi­ger wer­den zunächst über die meist geringe Insol­venz­quote befrie­digt. Die Quote liegt im Durch­schnitt aller Unter­neh­mens­in­sol­ven­zen bei unter 5%. Da diese Quote bei recht­zei­ti­ger Antrag­stel­lung regel­mä­ßig höher wäre, kann der Geschäfts­füh­rer für die Dif­fe­renz durch den Insol­venz­ver­wal­ter in Haf­tung genom­men werden.

Portrait Olaf SchubertInsol­venz­be­ra­tung Schu­bert: „Je nach Geschäfts­vo­lu­men des Unter­neh­mens füh­ren auch kurze Zeit­räume zu beträcht­li­chen Haf­tungs­sum­men. Diese sind ein häu­fi­ger Grund für die nach­fol­gende pri­vate Insol­venz der Geschäfts­füh­rung. Es haf­ten alle Vor­stände oder Geschäfts­füh­rer, unab­hän­gig von der Geschäftsverteilung.“ 

Kos­ten­lose anwalt­li­che Erst­be­ra­tung zu Insol­venz und Sanie­rung. 


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