Drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach § 18 Abs. 2 InsO, gegeben, wenn „der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.“ In diesem Fall kann der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen.
Wen betrifft drohende Zahlungsunfähigkeit?
Alle Schuldner haben das Recht bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zustellen. Voraussetzung ist, dass der Liquiditätsstatus keine Deckungslücke aufweist, das Unternehmen also aktuell noch alle fälligen Verbindlichkeiten zahlen kann.
Gläubiger können eine drohende Zahlungsunfähigkeit in einem Fremdantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht als Antragsgrund angeben.
Typische Fälle
Eine Gesetzesänderung führt in Zukunft zum Wegfall von Fördermitteln. Das Unternehmen ist aber auf diese angewiesen, wenn es kostendeckend arbeiten will. In einem solchen Fall hat der Bundesgerichtshof sogar die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit bejaht (BGH 21.01.2016, Az. ZR 84/13).
Die Bank kündigt Kredite. In einem Fall hatte die Bank die Kreditkündigung im Januar schon angekündigt, wenn nicht erhebliche Tilgungsleistungen erbracht und für die verbleibenden Verbindlichkeiten zusätzliche Sicherheiten gestellt würden. Da der Schuldnerin beides nicht möglich war, hat zum Zeitpunkt der Ankündigung schon festgestanden, dass die Schuldnerin später zahlungsunfähig sein würde. Das Insolvenzverfahren wurde im Dezember eröffnet. Der Insolvenzverwalter holte seit Januar geleistete Mietzahlungen vom Vermieter zurück (BGH 05.12.2013, Az. IX ZR 93/11).
Drohverluste aus schwebenden Geschäften. Sie haben Aktiva zu Einkaufspreisen bewertet, die nur mit Verlust verkauft werden können.
Ein wichtiger Kunde beendet die Zusammenarbeit. Sie können die Umsatzverluste wahrscheinlich nicht ausgleichen.
Wie stelle ich fest, ob drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt?
Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn
- die vorhandenen Zahlungsmittel ausreichen die aktuell fälligen Forderungen auszugleichen und
- innerhalb des Prognosezeitraums mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Zahlungsunfähigkeit eintritt.
Prognosezeitraum
Der Betrachtungszeitraum endet bei der letzten Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten. Bei sehr langfristigen Verbindlichkeiten ist das Ende des nachfolgenden Geschäftsjahres ausreichend.
Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit
Mit dem Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ist als Nachweis eine negative Fortbestehensprognose einschließlich einer entsprechenden Liquiditätsplanung vorzulegen. Aus der Liquiditätsplanung muss hervorgehen, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als die Zahlungsfähigkeit. Daher können auch Zahlungsverpflichtungen in der Prognose berücksichtigt werden, „deren Fälligkeit im Prognosezeitraum nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist“ (BGH 05.12.2013, Az. IX ZR 93/11).
Was sind die Folgen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit?
Überschuldungsprüfung
Juristische Personen oder Personengesellschaften ohne eine natürliche Person als haftendem Gesellschafter sind für den Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit verpflichtet, das Vorliegen einer Überschuldung zu prüfen.
Das Ergebnis der Überschuldungsprüfung kann eine Insolvenzantragspflicht auslösen.
Zustimmung der Gesellschafter
Ob die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft die Zustimmung der Gesellschafter für einen Antrag auf Insolvenzeröffnung bei drohender Zahlungsunfähigkeit benötigt, ist umstritten. Sicherheitshalber sollten Sie diese einholen.
Strafrechtliche Folgen
Bereits bei Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit können Sie sich nach § 263ff StGB (Eingehungsbetrug) strafbar machen, wenn Sie Leistungen in Auftrag geben, die Sie voraussichtlich nicht vollständig bezahlen können.
Drohende Zahlungsunfähigkeit und Sanierung
Besteht die Möglichkeit das Unternehmen zu sanieren, ist es vorteilhaft so früh wie möglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung sind umso größer, je früher ein Insolvenzantrag gestellt wurde.
Die durch das ESUG (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) neu geschaffenen Möglichkeiten der Insolvenz in Eigenverwaltung oder das Schutzschirmverfahren sollen den Schuldner ausdrücklich zu einer frühzeitigen Insolvenzanmeldung motivieren. Ein Schutzschirmverfahren kann nur bei drohender, aber nicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit beantragt werden.
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