Heute hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz die Neufassung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur präventiven Restrukturierung vorgestellt, das zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll.
Bereits am 9. September 2020 hatte die Bundesregierung die erste Fassung des Referentenentwurfs zur Restrukturierung veröffentlicht. Das Ziel des neuen Verfahrens ist, die Lücke zwischen einem oft an störrischen Gläubigern scheiternden außergerichtlichen Vergleich und der Sanierung durch ein gerichtliches Insolvenzverfahren zu schließen.
Der präventive Restrukturierungsrahmen wird nach dem Referentenentwurf „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen″ (SRR) genannt und im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen im „Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) geregelt werden. Der SRR schafft einen rechtlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen bereits ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit.
Die Zugangsvoraussetzung besteht, wenn innerhalb eines zu betrachtenden Zweijahreszeitraumes die drohende Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich ist. Zahlungsunfähigkeit selbst darf zum Zeitpunkt der gerichtlichen Anzeige noch nicht eingetreten sein.
Stellt die Geschäftsleitung eine drohende, aber noch nicht eingetretene Zahlungsunfähigkeit fest, kann sie auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans eine Verständigung mit Gläubigern suchen.
Im präventiven Restrukturierungsverfahren steht es dem schuldnerischen Unternehmen selbst frei, welche Gläubiger einbezogen werden und welche Sanierungsbeiträge eingefordert werden sollen. Im Zuge dessen kann ein Eingriff in Sicherungsrechte erfolgen, bestehende Verträge können geändert oder aufgehoben werden (Sonderkündigungsrechte). Ein Eingriff in Zahlungsansprüche aus Arbeitsverhältnissen einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung bleibt unterdessen ausgenommen. Maßgeblich ist, dass bei Abstimmung über den Restrukturierungsplan, der in vielen Teilen eng an den Insolvenzplan angelehnt ist, die Mehrheit der gebildeten Gläubigergruppen mit jeweils 75 Prozent der vertretenen Forderungen zustimmt.
Grundsätzlich kann das Verfahren ganz ohne gerichtliche Beteiligung auskommen (stille Sanierung). Auch die Ausarbeitung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfordert grundsätzlich keine gerichtliche Beteiligung. Eine Veröffentlichung des Verfahrens ist nicht vorgesehen.
Bei Inanspruchnahme besonderer Verfahrenshilfen bedarf es allerdings gerichtlicher Entscheidungen. Das Gericht kann zum Schutz des Unternehmens für die grundsätzliche Dauer von drei Monaten Leistungsverweigerungs‑, Vollstreckungs- und Verwertungsverbote anordnen, die Beendigung gegenseitiger Verträge verfügen oder die Zustimmung ablehnender Gläubiger bzw. Gläubigergruppen ersetzen, wenn diese mit dem Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden als ohne ihn.
Eine Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgerichts und dessen Tätigwerden (§ 29 StaRUG‑E) ist in folgenden Fällen erforderlich:
- Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung),
- gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung),
- gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung),
- gerichtliche Beendigung von gegenseitigen, noch nicht beiderseitig vollständig erfüllten Verträgen (Vertragsbeendigung) und
- gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung).
Sofern die gerichtliche Beteiligung erforderlich wird, ist auch ein vom Gericht einzusetzender Restukturierungsbeauftragter vorgesehen. Diesem kommt insbesondere die Aufgabe zu, das Vorliegen und Fortbestehen der Zugangsvoraussetzungen zu überprüfen und den Restrukturierungsplan zu begutachten. Eine Aufsicht über die Geschäftsführung ist grundsätzlich nicht vorgesehen.
Besondere Beachtung ist der wesentlich verschärften Haftung der Mitglieder der Geschäftsleitung zu widmen. Die Neuregelung sieht vor, dass bereits mit Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Unterlassung von Sanierungsmaßnahmen zur persönlichen Haftung der Geschäftsführung führt.
Welche Modifikationen sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren ergeben, bleibt abzuwarten. Festzustellen ist aber bereit jetzt, dass ein Paradigmenwechsel – Unternehmensinteressen vor Gläubigerinteressen - offenkundig bevorsteht.